HUMBEL KOMMUNIKATION & ART

Nr. 19: Ärger mit der Grundstückgewinnsteuer

Gegen Ende der 1980er Jahre geriet der Kanton Tessin in finanzielle Nöte. Der schnellste Weg zu mehr Steuereinnahmen führt oft über eine höhere Belastung der Hauseigentümer. Sie bilden in den meisten Kantonen eine Minderheit, die in Abstimmungen gegen ihre Interessen meist unterliegt. Immobilienbesitzer werden sich bei solchen Gelegenheiten schmerzlich bewusst, dass ihr Eigentum nicht wie Aktien und Obligationen sofort veräussert werden kann – es ist im ursprünglichen Wortsinn unbeweglich, eben immobil.

Kantone müssen nicht lange suchen, um höhere Steuern einzutreiben. Sie können die Handänderungssteuer anheben, am Eigenmietwert schrauben oder bei der Grundstückgewinnsteuer zu neuen Höhenflügen ansetzen. In unserem Fall griff der Kanton Tessin zum Mittel, die Fristen dieser Steuer zu verschärfen. Zuvor war nach fünf Jahren die 18-Prozent-Besteuerung stark reduziert worden. Nun wurde sie zu unserem Nachteil auf zehn Jahre verlängert – und wir verkauften nach neun Besitzjahren!

Wie konnte die Grundstückgewinnsteuer legal umgangen werden? Eine Möglichkeit bot der Kauf einer Eigentumswohnung in der künftigen Überbauung unseres Grundstücks. Aber da gab es ja die Klausel der Höhenbeschränkung und der daraus folgenden Ungewissheit des Baubeginns und Bezugs. Nachträglich erwies es sich als Glücksfall, dass die Preise dieser Wohnungen fast so hoch lagen wie unser Verkaufserlös, den wir für den Immobilienerwerb in Frankreich benötigten. Niemand ahnte damals, dass unsere Liegenschaft infolge von Einsprachen erst ein volles Jahrzehnt später bebaut werden konnte.

Unsere Käufer, eine Bauunternehmung, verfügte noch über andere Eigentumswohnungen in Lugano, die wir besichtigten. Eine geräumige 2 ½-Zimmer-Wohnung kostete allerdings schon 1989 vor der Immobilienkrise fast 600‘000 Franken und war für eine Familie mit zwei Kindern als Feriendomizil ungeeignet und ebenfalls zu teuer. So blieb nichts anderes übrig, als in den sauren Apfel der 18-Prozent-Besteuerung zu beissen.

Mitte Oktober fand die notarielle Eigentumsübertragung an die Baufirma in einer Anwaltskanzlei statt, deren eine Partner sich als Verwaltungsrat unserer Käuferin entpuppte. Ob dies überhaupt rechtens war, untersuchten wir nicht, zumal der VR-Mann die „Feinfühligkeit“ hatte, seinen Partner das Geschäft abschliessen zu lassen.

Schon eher ins Mafiöse ging dann folgender Tatbestand: Das Tessiner Finanzamt schickte uns eine saftige Rechnung für die Grundstückgewinnsteuer auf der falschen Basis von 1,2 Millionen Franken Verkaufspreis. Dieser betrug jedoch 150‘000 Franken weniger, weil die Frage der Bauhöhenbeschränkung noch ungeklärt war und es leider blieb.

Die Anwaltskanzlei hatte nun die Dreistigkeit, uns fast 1000 Franken in Rechnung zu stellen für ein 5-seitiges Memorandum zuhanden des Finanzamtes, um den niedrigeren Betrag mit entsprechend geringerer Grundstückgewinnsteuer zu beweisen. Den dummen Fehler hatten schliesslich nicht wir begangen. Ein Telefon des Anwalts und Notars an den schlampigen Steuerbeamten hätte genügt, den Fall zu lösen. Dennoch bezahlten wir die Rechnung, weil eine juristische Auseinandersetzung in einem uns fremden Sprachgebiet wohl die Rechnungssumme übertroffen hätte.

Die Käuferfirma leistete eine Vorauszahlung, damit wir eine weitere Belastung, die Handänderungssteuer von 10‘000 Franken, aufbringen konnten. Am Abend des Verkaufstages läutete jener Unternehmer, der sich bisher nur über seinen Architekten mit uns in Verbindung gesetzt hatte, an der Via Belvedere 1. Er entschuldigte sich für das „Missgeschick“ seines Beauftragten, uns mit 100‘000 Franken zu ködern. Sein 1,2-Millionen-Angebot kam zu spät.