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Nr. 18: Immobilien: Wölfe im Schafspelz

Die eigenen vier Wände dürften die emotionalste aller Formen der Kapitalanlage darstellen. Wer von Ruhe und Frieden im Einfamilienhaus träumte, wacht oft in der harten Realität auf, wenn Kindergeschrei aus einem Schwimmbad ertönt oder fröhliche Grillparties gefeiert werden. Ein Streit um das Papageienkrächzen in einer privaten Volière wurde bis vor Bundesgericht ausgetragen.

Solche Erfahrungen im Bereich Menschliches – Allzumenschliches machten meine Frau und ich mit dem Verkäuferehepaar der alten Mühle in den französischen Südvogesen. Bei der Unterzeichnung des Vorvertrags erwies sich die ältere Dame als Alleininhaberin dieses Anwesens. Ihr Ehemann, ein Fensterfabrikant, war wesentlich jünger. Das Paar besass noch andere Liegenschaften. Nach dem Notariatstermin fuhr uns jener Autor unseres Verlags, der uns die 10-Prozent-Anzahlung finanzierte, zu unserem Traumhaus. Hier besprachen wir mit den Besitzern, was uns an Mobiliar interessierte. Dieses bestand aus einem Sammelsurium aus Antiquitäten und Stilmöbeln von Spanien bis China und Ramsch, den nicht einmal jedes Brockenhaus übernommen hätte.

Der positive Eindruck, den diese Leute hinterlassen hatten, begann zu bröckeln, als die Mobiliarrechnung von 160‘000 Francs, damals etwa 40‘000 Franken eintraf. Eine zweite Aufzählung ging um von ihnen vergessene Schwimmbad-Utensilien. Als dann noch eine dritte Rechnung u.a. zu einem Steintisch eintraf, der nur mit einem Kranfahrzeug hätte abgeführt werden können, war die Absicht klar: Die 200‘000 Francs Abstriche an der ursprünglichen Verkaufssumme, mussten wieder hereinkommen.

Noch war der Gipfel der Knausrigkeit nicht erklommen. Nach der definitiven Vertragsunterzeichnung beim Notar in Giromagny Ende Oktober 1989 führte mich der Fabrikant durchs Haus und diktierte mir die Preise für jede einzelne Lampe, nochmals 21‘000 Francs. Hier griff der uns wohlgesinnte französische Vermittler ein und bedeutete dem nun sehr verärgerten  Mann, dass nach dem notariellen Verkaufsakt und vorgängigem Mobiliarerwerb in drei Tranchen nicht noch die Beleuchtung verrechnet werden dürfe.

Nicht einmal jetzt gab er sich zufrieden. Unklar blieb, ob seine Gemahlin ihn angetrieben hatte. Monatelang dauerte ein Gezerre um Hausrat, der auf keiner Liste aufgetaucht war und teils als Sperrmüll in der Garage lagerte. Die Komödie fand ihren Abschluss, als er in einem Deuxchevaux vorfuhr und diesen wie Jagdtrophäen verstaute. Das Foto der aus dem offenen Verdeck herausragenden Bogenlampe und einer violetten Synthetikteppichrolle ergötzt uns noch heute.

Eine menschliche Enttäuschung erlebten wir mit dem Autor, der längere Zeit als väterlicher Freund der Familie aufgetreten war. Hätte uns seine selbstzufriedene Erzählung, nach einem Eheverbot habe er seine dritte Gattin im schottischen Gretna Green geehelicht, warnen sollen?  Und dass sie an einer Überdosis Schlafmittel verstorben war? Jedenfalls liessen wir es ihm als Financier des Überbrückungskredits (zu 8 % Zins) bis zum Verkauf im Tessin durchgehen, dass er sich in subtiler Intriganz zwischen meine Frau und mich zu drängen versuchte.

Hellhörig wurde ich, als er am Telefon mit Bekannten lautstark verkündete, er habe sich "im Elsass etwas erworben". Abgesehen davon, dass unser Objekt in der Franche-Comté lag, war sein Plan für ihn naheliegend, da er den Namen eines elsässischen Dorfes trug, aus dem seine Eltern als Kriegsdienstverweigerer im Ersten Weltkrieg in die Schweiz geflohen waren. Im August präsentierte er uns detaillierte Baupläne seines Hauses direkt an unserem Schwimmbad. Bereits waren sämtliche Steckdosen präzise eingezeichnet. Perplex nahmen wir zur Kenntnis: Unser Kreditgeber war ein Wolf im Schafspelz.