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Nr. 9: Leben im Villenviertel mit Tücken

Bauen an Hanglagen ist einiges teurer als auf ebenem Gelände. Unser Haus in Lugano-Castagnola oberhalb des Zugangs zur Villa Favorita stand zwar stabil auf einer Art Podest. Die vorgelagerte Mauer jedoch senkte sich jedes Jahr um einige Zentimeter. Der Zeitpunkt des Abrutschens schien absehbar und hätte hohe Ersatzkosten verursacht. Wir hatten das Desaster eines Berufskollegen vor Augen, der in Locarno-Monti zur selben Zeit ein Fertighaus erstellen liess und wegen finanzieller Knappheit viel Eigenarbeit leistete. Beispielsweise mietete er eine Betonmischmaschine und zog eine behördlich vorgeschriebene Stützmauer selber hoch. Eines Nachts donnerte sie auf die viel befahrene Kantonsstrasse hinab. Entsorgung und Neuerrichtung durch Fachleute kosteten ein kleines Vermögen. Später erfuhr er, dass sein Grundstück  als frühere Abfallhalde von Locarno unstabil war.

Unser „Mauerfall“ trat in allen neun Jahren nicht ein. Aber periodisch füllte ich laienhaft die Lücken mit Blitzzement, um das Eindringen von Regenwasser zu verhindern, das den Absenkvorgang beschleunigt hätte.

Um die Aussicht auf den Luganersee und die Berge wurden wir von begeisterten Besuchern beneidet. Nur führt am Fuss der meisten Abhänge ein Strasse vorbei, in unserem Fall die vielbefahrene auf den Monte Brè sowie nach Gandria und das italienische Porlezza mit unzähligen Grenzgängern. Am meisten Verkehr herrscht naturgemäss in der warmen Jahreszeit, wenn man gern draussen sitzt.

Ein spezielles Problem in Villenvierteln ist die Hundedichte. Aus Angst vor Gangstern halten sich viele Villenbesitzer einschüchternde Vierbeiner. In unserem Fall litten wir unter einem die ganze Nacht in der Nachbarschaft draussen wachenden Schäferhund, jahrelang im Kläffkontakt mit zwei Dobermännern, die ein Diamantenhändler auf einer Terrasse hielt. Dasselbe erlebten wir als Feriengäste in der Villa eines unserer Verlagsautoren in Budapest, die er uns in seinen Ferien überliess: Auf Spazier- oder Einkaufsgängen erlebten wir oft beim Vorbeigehen aus nächster Nähe überfallartiges Hundegebell – nichts für Herzpatienten!

Villen haben meist ein grösseres Umgelände mit Rasen, der bis zum Exzess gepflegt wird. Und die Gärtner kommen mit ihren Profi-Rasenmähern immer bei schönem Wetter, weil nasses Gras das Schnittmesser blockiert. Lärm also stets dann, wenn die Sonne zum Draussensein verlockt. An Hängen mögen die Rasenflächen kleiner sein, dafür treten die noch ärgeren Rasentrimmer, Heckenscheren und Motorkettensägen mit ihrem an- und abschwellenden  Lärm in Funktion. Nicht unähnlich Fliegeralarmsirenen – und damit zu einer weiteren Nervensäge, den Alarmanlagen. Sie gehen meist aus Unachtsamkeit und falscher Bedienung los, und niemand achtet mehr darauf, ob nun wirkliche Einbrecher Diebesgut in ihr Fahrzeug laden.

Es gab einen weiteren Grund für uns, das nächste Domizil im Flachland zu suchen: Am Hang blickt man ungewollt auf die unterhalb gelegenen Gärten und das, was da so abläuft. Mein Verlagsvertreter erhielt im basellandschaftlichen Maisprach Klagen (wohl von Frauen, die ihre Männer mit dem Feldstecher erwischten), weil seine Freundin im Evaskostüm sonnenbadete. Unsere Nachbarn oberhalb genossen, wie einige gestanden, den Anblick unserer Schwerarbeit im Kampf gegen Unkraut am Steilhang. Das Treppensteigen und Heraufschleppen von Einkäufen wäre für ältere Leute und Behinderte schon gar nicht möglich.

Für junge, sportliche, lärmunempfindliche Hundefreunde und Motorenfreaks ist das Leben mit Aussicht im Villenviertel jedoch durchaus empfehlenswert. Dies zur Besänftigung allfälliger Neidgefühle…